„We are Ukraine.“
Wir alle sind heute die Ukraine.„Ich bitte euch alle: Betet für die Ukraine.“
„Großer Gott, du Ur-Grund allen Lebens, zeig dich. Jetzt, vor allem den Menschen in der Ukraine. Sei du der Halt aller, die in lähmender Angst vor dem Kommenden zittern. Steh‘ ihnen bei. Komm zur Hilfe!“
Morgenandacht, 25.02.2022
von Martin Korden, Bonn
Krieg in der Ukraine
Gestern Morgen sind wir in einer neuen Welt aufgewacht – oder besser gesagt in einer Welt, von der wir dachten, sie käme so nicht mehr wieder.
Ein Machthaber verschiebt willkürlich Grenzen. Er überfällt ein anderes Land. Und gerechtfertigt wird dieser Schritt, in dem die Wahrheit verdreht wird, ja mehr noch, durch die Verbreitung offensichtlicher Lügen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, wird da der Aggressor zum Verteidiger gemacht und der Überfallene zum eigentlichen Kriegstreiber.
Verkehrte Welt – wie oft haben wir diesen Begriff bemüht, nie passte er so sehr wie heute.
Eine Welt, die dem Drang nach Macht alles andere unterordnet, die massenhaftes Sterben einplant und für die Überlebenden den Rückschritt in Armut und unwürdige Lebensverhältnisse. Wir erleben eine große Regression – eine Entzivilisierung. Verkehrte Welt.
Ich habe eine Bekannte, die aus der Ukraine stammt. Taya. Sie lebt seit einigen Jahren in Deutschland. In ihrem Whatsapp-Status schrieb sie gestern:
„Ich bitte euch alle: Betet für die Ukraine.“
Bei diesem Satz werden nicht wenige die Augen verdrehen. Ist es nicht naiv, angesichts der Situation in der Ukraine auf das Gebet zu setzen? Wurde nicht schon genug gebetet, ohne Erfolg?
Von dem deutschen Schriftsteller Theodor Fontane, der als Vertreter des literarischen Realismus gilt, stammt der Satz:
„Die Not lehrt beten, aber sie lehrt auch denken.“
Was Fontane sagen wollte: Die Not reißt den Menschen unbarmherzig heraus aus einer möglichen Sattheit.
Sie rüttelt wach denjenigen, der dabei war, sich in der Welt gemütlich einzurichten und dabei den Blick auf das Große und Ganze, auf die Frage nach einem Sinn des Lebens und damit auch den Blick auf den Mitmenschen zu verlieren. Man könnte darum auch sagen: Not lehrt Solidarität.
Und gerade in diesen Tagen wird deutlich, dass sich hinter diesem so oft benutzten und vielleicht schon abgenutzten Begriff eine Geisteshaltung verbirgt, die allein sich der Versuchung von Resignation oder Zynismus wirksam entgegenstemmt. Solidarität ist nicht bereit, den Schritt zurück mitzugehen und Unrecht zu akzeptieren.
Darum sind die Zeichen der Solidarität in diesen Tagen so wichtig, wenn das Brandenburger Tor in den Nationalfarben der Ukraine erstrahlt, wenn Menschen in den sozialen Netzwerken eine virtuelle Kerze für die Ukraine teilen oder ihrem Profilbild die nun weltweit verbreitete Überschrift geben:
„We are Ukraine.“
Wir alle sind heute die Ukraine.
Diese Solidaritätsbekundungen sind so wichtig, weil sie sagen: Wir schlagen uns auf eure Seite. Wir lassen die Verdrehung, die Lüge nicht durchgehen. Wir stehen zu unseren Überzeugungen und Werten, die der westlichen Welt so lange Phasen des Friedens und des Glücks beschert haben. Heute gilt: We are Ukraine.
Eine solche Solidarität ist nicht einfach daher gesagt. Wenn sie ehrlich gemeint ist, wird sie sich bewähren müssen. Sie erfordert Sympathie, das bedeutet dem Wortsinn nach, die Bereitschaft, mitzuleiden.
Was das heißt, werden wir wohl schon bald erfahren, an steigenden Preisen, an Einschränkungen unseres gewohnten Komforts, vielleicht an weiteren tiefen Einschnitten.
Not lehrt Solidarität und ja, gerade die drücken wir auch aus, wenn wir beten. Wer betet, glaubt an einen größeren Zusammenhang und will nicht wahrhaben, dass die Willkür unverantwortlicher Machthaber das letzte Wort hat. Wer betet, hat den Drang, einen Beitrag zu leisten. Er gibt seiner Solidarität, seinem Mitfühlen Ausdruck.
Ja, Taya, ich will deinem Wunsch entsprechen und für die Ukraine beten.
„Großer Gott, du Ur-Grund allen Lebens, zeig dich. Jetzt, vor allem den Menschen in der Ukraine. Sei du der Halt aller, die in lähmender Angst vor dem Kommenden zittern. Steh‘ ihnen bei. Komm zur Hilfe!“
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Beitrag anhörenDieser Beitrag wurde am 25.02.2022 gesendet.
Über den Autor Martin Korden
Martin Korden, geboren 1980 in Adenau, ist Beauftragter der Bischofskonferenz für Deutschlandradio. Eine erste Hörfunkausbildung erhielt er im Rahmen seines Wehrdienstes beim Truppenbetreuungssender „Radio Andernach“. Anschließend studierte er in Trier und Brixen Katholische Theologie. Es folgte das journalistische Volontariat bei der Katholischen Fernseharbeit und eine langjährige Tätigkeit für DOMRADIO.DE in Köln. Kontakt: m.korden@dbkradio.de
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